Der Fachausdruck „schizoid“ kennzeichnet also einen Menschen, der ein begrenztes Selbstgefühl, ein schwaches Ich und einen stark reduzierten Kontakt zu seinem Körper und dessen Gefühlen hat.
Bioenergetischer Zustand: Die Energie wird von den äußeren Teilen des Körpers zurückgehalten - nämlich von den Organen bzw. Körperteilen, die den Kontakt zur Außenwelt herstellen: Gesicht, Hände, Genitalien und Füße. Diese Organe haben eine unzureichende bioenergetische Verbindung zum Kern, das heißt, die Kernerregung fließt nicht ungehindert zu ihnen, sondern wird von chronischen Muskelspannungen an der Kopfbasis, den Schultern, dem Becken und den Hüftgelenken blockiert. Die Funktionen dieser Organe werden also von den Gefühlen im Zentrum getrennt.
Die innere Ladung wird mehr oder weniger im Kerngebiet gestaut und eingefroren. Infolgedessen ist die Impulsbildung schwach. Wegen der Anstauung ist die Ladung jedoch explosiv und kann sich durch Gewalttätigkeiten Bahn brechen. Das geschieht, wenn die Abwehrbastionen nicht halten und der Organismus mit einer Energiemenge überflutet wird, die er nicht bewältigen kann. Die Persönlichkeit spaltet sich.
..... Das Problem liegt also in den Abwehrmechanismen. Der Körper spaltet sich energetisch in der Taillengegend, wodurch die Integration der oberen und unteren Körperhälfte stark beeinträchtigt wird.
Die Hauptspannungsgebiete liegen an der Schädelbasis, den Schultergelenken, den Beingelenken, den Beckengelenken und in der Zwerchfellgegend. Die Spannung in der Zwerchfellgegend ist gewöhnlich so ausgeprägt, daß sie den Körper in zwei Hälften zu spalten droht. Die dominierenden Verspannungen treten in den kleinen Muskeln auf, die die Sprechwerkzeuge umgeben. Man beobachtet bei diesem Charaktertyp entweder extreme Inflexibilität oder Hyperflexibilität der Gelenke.
Das Gesicht ist maskenhaft. Die Augen wirken nicht lebhaft und schließen keinen Kontakt. Die Arme scheinen keine Fortsetzung des Körpers zu sein, sondern hängen wie Wurmfortsätze herunter. Die Füße sind verkrampft und kalt, häufig nach außen gerichtet. Das Körpergewicht lastet auf der Außenkante der Füße.
Zwischen den beiden Körperhälften besteht oft eine deutliche Diskrepanz. In vielen Fällen hat man den Eindruck, sie gehörten zu zwei verschiedenen Menschen.
Wenn der Betreffende zum Beispiel unter Streß steht und eine leicht gebeugte Haltung einnimmt, wirkt die Körperlinie häufig gebrochen. Kopf, Rumpf und Beine sind einander oft winklig zugeordnet.
Die Tendenz zur Loslösung oder Abkapselung, die sich körperlich in der mangelhaften energetischen Verbindung zwischen dem Kopf und dem restlichen Körper äußert, führt zu einer gewissen Spaltung der Persönlichkeit in entgegengesetzte Einstellungen. Man findet häufig eine nach außen arrogant wirkende Haltung, die mit einem Gefühl der Minderwertigkeit oder Erniedrigung einhergehen kann - schizoide Frauen können sich beispielsweise für eine Jungfrau und Hure zugleich halten. Dieses Phänomen spiegelt ebenfalls die Spaltung der beiden Körperhälften wider.
Der schizoide Charakter ist überempfindlich, also sehr sensibel, was auf eine schwache Ich-Abgrenzung, das psychologische Gegenstück zur mangelhaften äußeren Ladung, zurückgeht. Diese Schwäche vermindert seine Widerstandskraft gegen äußeren Druck und zwingt ihn, sich hinter seine Abwehrbastionen zurückzuziehen.
Der schizoide Charakter hat die ausgeprägte Tendenz, intime, gefühlsbetonte Beziehungen zu vermeiden. Es fällt ihm überdies sehr schwer, derartige Beziehungen herzustellen, weil seine peripheren Organe und Körperteile ungenügend geladen sind.
Aktionen und Taten werden mit dem Verstand motiviert, was dem schizoiden Verhalten einen unnatürlichen oder unaufrichtigen Anschein gibt. Man hat dieses Phänomen „Als-ob-Verhalten“ genannt - es scheint auf Gefühl zu basieren, aber die Aktionen selbst drücken kein Gefühl aus.
Die erlebte Zurückweisung und “Feindseligkeit” erzeugten im Patienten die Furcht, er würde seine Existenz auslöschen, sobald er versuchte, nach Lustgewinn zu greifen, etwas zu fordern oder sich durchzusetzen.
Die Fallgeschichten offenbaren einen Mangel an jedem starken positiven Gefühl der Sicherheit oder Freude. In der Kindheit kam es häufig zu nächtlichen Alpträumen und Angstzuständen.
Typisch war Rückzugsverhalten oder nichtemotionales Verhalten, begleitet von gelegentlichen Wutausbrüchen, ein Phänomen, das man „autistisches Verhalten“ nennt.
Wenn ein Elternteil dem Kind in dessen Ödipusperiode zudem noch sexuelles Interesse entgegenbrachte, erhält die Persönlichkeit mitunter einen paranoiden Zug. Das erlaubte dem Betreffenden, sich später als größeres Kind oder Erwachsener bis zu einem gewissen Grad abzureagieren oder seine Konflikte auszutragen.
In Anbetracht dieser Faktoren hatte das Kind keine andere Wahl, als sich von der Realität zu lösen (ausgeprägtes Phantasieleben) und von seinem Körper abzukapseln (abstrakte Intelligenz), um zu überleben. Da die dominierenden Gefühle panische Angst und blinde Wut waren, dämmte es alles Fühlen durch Abwehrbastionen ein.
Eines der auffallendsten Symptome des Schizoiden ist das Phänomen der Depersonalisation (Entpersönlichung). Bei diesem Verlust des Kontakts zum ganzen Körper oder zu irgendeinem Körperteil liegt ein Verlust des Kontakts zur Realität vor. Von Natur aus ist das Gefühl des eigenen Körpers für den Menschen ein wichtiger Aspekt der Realität. Der andere Aspekt ist das Gefühl für materielle Gegenstände und Vorgänge in der Außenwelt. Da dies in Wirklichkeit die beiden Seiten der Wahrnehmungsfunktion sind, sind wir, wenn wir die erste erklären können, gut in der Lage, die zweite zu begreifen und unser Wissen vom Ich und seinen Störungen zu vertiefen.
Bei der Depersonalisation berichtet der Betroffene von einem Verlust des Kontakts zum Körper oder zu wichtigen Körperteilen. Begleitet wird dies von Empfindungen der Fremdheit und Unwirklichkeit. Manchmal hat der Betroffene das Gefühl, sich selber von außerhalb seines Körpers oder aus der Entfernung anzusehen. Häufig ist die Depersonalisation auf einen Teil des Körpers beschränkt, der als fremdes Gebilde (nicht Teil des Selbst) empfunden wird, ja sogar als etwas, das unter der Herrschaft eines anderen Willens steht. Bei einem Anfall von Entpersönlichung erfolgt eine Spaltung; der stoffliche Körper oder ein Teil von ihm gehört dem Individuum nicht mehr; es ist nicht sein Körper, wie er ihn gewöhnlich erlebt hat. Offensichtlich ist etwas geschehen, das die Einheit des organismischen Gefühls zerbrochen hat.
Die bioenergetische Analyse befähigt uns, eine Erklärung für diese Erscheinungen vorzubringen. Erregung manifestiert sich durch gesteigerte Motilität, aber wir müssen auch annehmen, daß die gesteigerte Motilität die Folge einer Zunahme der bioenergetischen Ladung des Organismus ist. Diese gesteigerte Ladung durchfließt alle Gewebe und zeigt sich in der Wärme und Farbe der Haut und im Funkeln der Augen. Wenn die Ladung noch stärker wird, gehen ihre Wirkungen über den Körper als solchen hinaus. Die Atmosphäre in unmittelbarer Nähe des Organismus lädt sich auf, und der Organismus verliert das Gefühl seiner gewohnten Grenzen. Wenn diese Grenzschranke überschritten worden ist, wird das Ich überwältigt und überschwemmt. Psychologisch ausgedrückt: Das Es ist in unmittelbarem Kontakt mit dem Universum. Die eigenen Gefühle bestätigen diese Einsicht. Es ist, als sei man Kräften ausgeliefert, die mächtiger sind als das Selbst, wie ein Stäubchen in der Luft oder ein Stück Treibholz im Meer. Bioenergetisch findet die Interaktion zwischen dem Kern und dem Kosmos statt. In den intensiv-lustvollen Zuständen verblaßt die Realität, aber sie verschwindet nicht. Sie mag zwar traumhaft anmuten, aber wir wissen, daß wir wach sind, oder es ist genug vom Ich übrig, um die Realität durch das sprichwörtliche Kneifen zu prüfen. Da das Ich ein Abkömmling des Es ist, stellt das Letztere, indem es seine Herrschaft wieder zur Geltung bringt, seine angeborene Funktion der Selbstwahrnehmung wieder her. Dies folgt einem wissenschaftlichen Grundgesetz, das Freud erkannt hat. Eine differenzierte Funktion muß als Tendenz in dem unstrukturierten Zustand vorhanden sein, aus dem sie sich entwickelt hat. Solange die Gewebe stark energiegeladen sind, tritt kein Verlust des Selbst ein, sondern es gehen einfach nur die Grenzen des Selbst verloren. Die Realität, wie wir sie gewöhnlich kennen, ist ein Produkt der Ich-Funktion. Wenn das Ich überwältigt wird, wird diese Realität geschwächt.
Der Prozeß, durch den ein doppeltes Selbst erzeugt wird, ist komplizierter. Wenn die Atmosphäre um den stark erregten Organismus herum sich intensiv auflädt, scheinen sich in ihr Kohäsionskräfte zu entwickeln. Gewöhnlich zeigen alle lebenden Organismen eine Aura um den Körper herum, die ein natürliches Feldphänomen ist, das bei allen geladenen Systemen vorhanden ist. Es scheint, als könne der Organismus sich in sehr hoch geladenem Zustand aus seiner Aura oder seinem Feld hinausbegeben, das dann in der Form des Körpers zurückbleibt und dem Körper wie ein Schatten folgt. Sobald es einmal als Kern entstanden ist, behält es so lange seine Form und Kohäsion, wie ihm vom Körper Energie zufließt. Kraft der Energiebrücke zwischen den beiden Systemen ist die Wahrnehmung des Selbst verdoppelt. Das Feldphänomen bricht zusammen und verschwindet, sobald das Abklingen der Erregung die Energie wieder in den eigentlichen Körper zurückzieht.
Als „schizoid“ bezeichnet Lowen eine Charakterstruktur, bei der ein Bruch mit der Realität nicht stattgefunden hat. Der schizoide Charakter zeigt diese grundlegende Antipathie gegen die materielle Realität. Bei den Schizoiden ist der Aggressionstrieb nicht nur schwach, wie beim oralen Charakter, sondern abgetrennt. Der Mensch mit schizoidem Charakter identifiziert sich bewußt mit seinen spirituellen Gefühlen. Die Notwendigkeit aggressiven Handelns wird nur akzeptiert, weil man es zum Überleben braucht, und auf dieser Grundlage wird ein Verhaltensmuster entwickelt, zu dem auch eine aggressive Haltung gehört. Trotz der scheinbaren Härte der Aggression kommt es beim Schizoiden vor, daß sie vollständig versagt hat.
Die Schwäche der normalen Barriere wird, ins Psychologische übersetzt, als Ichschwäche gesehen. Der Verlust der begrenzenden Membran ist ein Ichverlust. In dieser Hinsicht erinnern wir an die Aussage Freuds, das Ich sei eine Oberfläche und die Projektion einer Oberfläche. Biologisch gesprochen, ist die echte Oberfläche des Körpers die Haut; energetisch dient das Muskelsystem unter der Haut als die wichtigere Zurückhaltungsmembran. Das Problem des schizoiden Charakters liegt im Fehlen der Identifizierung des Ichs mit dem Muskelsystem und in dessen Schwäche.
Wenn dies zutrifft, muß an den Formulierungen Freuds eine wichtige Veränderung vorgenommen werden. Nicht Eros, der Träger des Lebens, ist im Organismus das einigende Agens oder das verbindende Element. Vielmehr hält der vielgeschmähte Aggressionstrieb Leib und Seele zusammen. Der Eros begünstigt die Rückkehr des Geistes zum Allgemeinen, zur Gottheit. Dies ist das Nirwana-Prinzip, und es ist auch das Ziel der großen orientalischen mystischen Religionen. Er kehrt ja tatsächlich am Ende zurück. Aber solange das Leben des Organismus währt, wird dieses Streben nach Vereinigung durch den der Selbsterhaltung dienenden Aggressionstrieb in die Sexualfunktion gelenkt.
Ein langes Studium hat Lowen überzeugt, daß der Energiefluß im Muskelsystem beim schizoiden Charakter an den Gelenken unterbrochen ist. Man stellt z. B. fest, daß der Fußknöchel wie gefroren ist und sich nicht beugen läßt. Koordination und Anmut der Bewegung fehlen, es sei denn, die Bewegung ist bewußt erlernt worden. Viele Menschen mit schizoidem Charakter werden Tänzer oder Sportler, um ein Gefühl der Koordination und Einheit in ihrem Körper zu entwickeln. Der Mangel an Koordination und Anmut kommt am deutlichsten bei den natürlichen Aggressionsbewegungen zum Vorschein - den Bewegungen, die mit Wut und Sexualität zu tun haben.
Lowen stellte die These auf, daß die zugrundeliegende schizoide Spaltung in der Entmischung oder Trennung der beiden Grundtriebe besteht. Diese Trennung kommt dadurch zustande, daß den aggressiven Impulsen der Weg versperrt wird, so daß sie daran gehindert werden, ins Bewußtsein einzudringen. Dies besagt, daß in der schizoiden Persönlichkeit eine sekundäre Spaltung zwischen dem Trieb und der Wahrnehmung des Triebes stattfindet. Die klinische Beobachtung ergibt, daß diese Sperre in den tiefliegenden Muskeln an der Schädelbasis lokalisiert ist.
Wo der Schizophrene bei seinem Bruch mit der Realität sein Ich vollständig verliert, kann der Mensch mit schizoidem Charakter den Bruch vermeiden und sein Ich behalten, Aber es ist ein schwaches Ich, schwächer als das des Oralen. Es ist nicht so, daß der Schizoide sich nicht selber fühlte - das tut er durchaus. Schwach ist sein Gefühl seiner selbst im Zusammenhang mit der materiellen Realität. Einerseits hat er eine starke Fähigkeit zu spirituellen Gefühlen, zur Zärtlichkeit und Sympathie. Er nimmt sich selbst als geistige Person wahr, die voller tiefer Gefühle, Zärtlichkeit, Sympathie usw. ist. Leider fällt es ihm schwer, dies auf ein Objekt in der materiellen Welt zu konzentrieren; sein Mangel an Ich-Identifikation mit seiner motorischen Koordination und deren mangelnde Beherrschung sind ein Hindernis. Tatsächlich kann der Schizoide eine kurze Zeit lang seine zärtlichen Gefühle auf einen anderen Menschen konzentrieren. Die Spannung, die durch den Versuch geschaffen wird, den Kontakt aufrechtzuerhalten, erzwingt eine Unterbrechung. Der Begriff der motorischen Koordination bezeichnet hier die mit angemessenem Gefühl integrierte Bewegung. Losgelöste Bewegung ist möglich; ein Mensch mit schizoidem Charakter kann ein ausgezeichneter Ballettänzer sein. Dissoziierte Gefühle sind typisch, ausdrucksvolle Bewegung fällt schwer. Die Tendenz zur Triebentmischung, zur Trennung von Gefühl und Bewegung ist kennzeichnend für diesen Zustand.
Wo der Schizophrene in seinem Bruch mit der Realität an Depersonalisation leidet, erhält der Schizoide die Einheit von Leib und Seele durch einen dünnen Faden aufrecht. Er benützt seinen Körper, wie ich mein Auto benütze. Er hat nicht das Gefühl, er sei sein Körper, sondern für ihn ist der Körper die Wohnstatt seines denkenden und fühlenden Selbst. Das ist nicht infantil, denn es spiegelt keineswegs die Identifizierung des Kleinkindes mit körperlicher Lust. Der Körper eines Menschen ist seine unmittelbarste Realität, und er ist auch die Brücke, die seine innere Realität mit der materiellen Realität der Außenwelt verbindet. Hier haben wir also den Schlüssel zur therapeutischen Behandlung der schizoiden Persönlichkeit. Zunächst versucht man, eine gewisse Identifizierung mit dem kinästhetischen Körperempfinden zustande zu bringen oder eine vorhandene Identifikation zu verstärken. Zweitens sucht man die Tiefe und den Spielraum der Ausdrucksbewegungen zu steigern. Drittens ist man bestrebt, die Körperbeziehung zu Objekten: Nahrung, Liebesobjekt, Arbeitsobjekten, Kleidung usw. zu entwickeln. Dieser Ansatz bewirkt eine Stärkung und Entwicklung des Ichs, das, wie Freud uns ins Gedächtnis ruft, „zuerst und vor allem ein Körper-Ich ist“.
Sehen wir uns die Dynamik der Körperstruktur an, wie sie uns bei Menschen mit schizoidem Charakter begegnet. Oft sind wir zunächst vom Aussehen des Kopfes beeindruckt. Er sieht niemals so aus, als sei er fest mit dem Hals verbunden. Nicht selten wird er leicht abgewinkelt gehalten, und zwar so, daß man das Gefühl hat, er könne nach der einen oder der anderen Seite rollen. Menschen mit anderen Charaktertypen legen den Kopf manchmal mit einem Ausdruck der Hoffnungslosigkeit auf die Seite. In diesen Fällen hat die gesamte Körperstruktur denselben Ausdruck. Die Haltung Schizoiden ist eine Haltung der Distanzierung, gleichsam, als werde der Kopf von der Hauptrichtung des Energieflusses im Körper weggezogen.
Beim Tasten der Halsmuskeln des Schizoiden findet man starke isolierte Verspannungen vor, aber keine generalisierte Rigidität. Die tiefsitzende Verspannung an der Schädelbasis ist wesentlich. Der Kopf selbst ist kontrahiert und angespannt, was ihn insgesamt hager erscheinen lassen kann. Abgesehen von diesem Ausdruck ist das Gesicht gewöhnlich maskenhaft. Die Kopfhaut auf dem Schädel ist angespannt, und beim Mann besteht die starke Tendenz zur Stirnglatze. Wir haben schon die Flachheit der Stirn und die Ausdruckslosigkeit der Augen erwähnt. Der Mund hat nie volle oder sinnliche Lippen. Nach einer Weile fällt einem auf, daß der Ausdruck von Freude, Fülle oder Strahlen immer fehlt; der Gesichtsausdruck ist nicht finster, er ist kalt.
Das Schultersegment des Schizoiden zeigt eine charakteristische Störung. Die Arme haben Kraft, aber die Bewegung des Schlagens ist gespalten. Der Körper nimmt an der Handlung nicht teil. Dies ist eine andere Oualität als beim oralen Charakter. Dort wirken die Arme zusammenhanglos, und man spürt, daß die offensichtliche Muskelschwäche dafür verantwortlich ist. Beim Oralen sieht die Bewegung kraftlos aus; beim Schizoiden sieht sie mechanisch aus. Die Bewegung läßt sich am besten so beschreiben, daß man sagt, die Arme bewegen sich an einem steifen, unbeteiligten Körper, was einen an die Flügel einer Windmühle denken läßt. Wie groß die Körperkraft des Schizoiden auch sein mag, diese Qualität kann man nicht übersehen. Die Bewegungen des Masochisten sind durch das Gefühl der Anstrengung gekennzeichnet, aber nicht durch das des Willens. Das Wesen der Schulterblockierung ist anders. Beim Masochisten wirken die Schultern muskelbepackt. Der Deltamuskel, der Trapezius und oberflächliche Muskeln sind überentwickelt. Bei der schizoiden Charakterstruktur sind die Muskelverspannungen tief und beruhen auf der Unbeweglichkeit der Schulterblätter.
Zu der Verspannungen im Hals: Die Verkrampfung in der Tiefe an der Schädelbasis spiegelt sich in einer entsprechenden Blockierung im Kreuz, wo Becken und Rückgrat zusammentreffen. Diese Verspannung ist bei manchen Schizoiden so schwer, daß sie akute Schmerzen erzeugen kann. Sie unterscheidet sich von den chronischen Kreuzschmerzen, die bei den rigiden Strukturen vorkommen. Die Beine zeigen dieselbe Beziehung zum Becken wie die Arme zum Schultergürtel, d. h. am Hüftgelenk haben sie keine Freiheit. Die Folge ist eine Unbeweglichkeit des Beckens, die schlimmer ist als bei jeder neurotischen Struktur. Die Muskeln der Oberschenkel und der Beine können schlaff oder deutlich überentwickelt sein. In beiden Fällen stellt man einen Mangel an Kontakt zu den Beinen und zum Boden fest. Die Füße, insbesondere die Fußgewölbe, sind ausnahmslos schwach. Die Gelenke sind steif und unbeweglich, und dies ist am deutlichsten an den Fußgelenken zu sehen. Bei einem Menschen mit schizoider Charakterstruktur ist das Fußgelenk unflexibel; es wirkt, als seien die Gelenke eingefroren.
Wir haben festgestellt, daß die Atmung des Schizoiden eine charakteristische Störung zeigt. Reich hat die geringe Aufnahme von Atemluft trotz des weichen Brustkorbes und seiner scheinbar starken Ausdehnung beschrieben. An diesem Paradoxon ist noch ein weiterer Faktor beteiligt. Bei der schizoiden Struktur ist die Erweiterung der Brusthöhle von einer Kontraktion der Bauchhöhle begleitet. Dies hindert das Zwerchfell daran, sich zu senken, oder wir können sagen, daß sich das Zwerchfell ebenfalls zusammenzieht, so daß die Abwärtsbewegung der Lunge nicht stattfinden kann. Unter solchen Bedingungen bemüht sich der Schizoide, im oberen Teil des Brustkorbs zu atmen, um genug Luft zu bekommen.
Durch weitere Beobachtung der Atembewegungen wurde Lowen gewahr, daß das Zwerchfell relativ unbeweglich ist; es ist im Zustand der Kontraktion „eingefroren“. Die unteren Rippen stehen heraus. Da das Zwerchfell untätig ist, zieht eine starke Ausdehnung der Brusthöhle durch den Saugeffekt das Zwerchfell leicht nach oben. Derselbe Saugeffekt scheint für das Einfallen des Bauches verantwortlich zu sein. Man beobachtet, daß der Bauch bei der Einatmung eingezogen und bei der Ausatmung dann vorgewölbt wird. Das ist nicht der normale Atmungstypus. Beim Durchschnittsmenschen machen Brustkorb und Bauch meist dieselbe Bewegung. Diese Einheit der Atembewegung, bei der sich Brust- und Bauchdecke wie ein Stück bewegen, ist bei Tieren und Kindern deutlich zu sehen. Diese Art der schizoiden Atmung hat eine emotionale Bedeutung. Wenn man sie selber nachahmt (also den Brustkorb aufblähen und den Bauch einziehen), wird man, wenn die Luft in die Lunge einströmt, ein Keuchen hören. Es ist unschwer als ein Ausdruck des Erschreckens zu erkennen. Der Schizoide atmet, als sei er in einem Zustand des Schreckens. Gelegentlich ist dieser Schrecken auch im Ausdruck von Gesicht und Augen zu erkennen.
Eine unmittelbare Folge der Unbeweglichkeit des Zwerchfells ist die Teilung des Körpers in eine obere und eine untere Hälfte. Dies ist kein Niederschlag der antithetischen Beziehung von Ich und Sexualität, die auf der Pendelbewegung der Energie beruht, welche die grundlegende Einheit aufrechterhält. Die schizoide Spaltung repräsentiert Dissoziation von Ich und Sexualität. Das Sexualverhalten kann als Versuch angesehen werden, eine gewisse Funktion in der Realität aufrechtzuerhalten oder herzustellen. Die Verwendung der Sexualität als Mittel, um zu einem anderen Menschen Kontakt herzustellen, kennzeichnet das Sexualverhalten des Menschen mit schizoidem Verhalten.
Es gibt nach Lowen nur ein Erlebnis, das so traumatisch ist, daß es die Einheit des wachsenden Organismus spalten kann. Man kann das hier wirkende Agens nach Lowen nur als den Haß der Mutter auf das Kind bezeichnen, einen Haß, der überwiegend unbewußt ist.
Wenn wir die Natur des Hasses herausfinden wollen, sollten wir anfangen, indem wir eine wichtige Unterscheidung treffen. Haß und Wut sind nicht dasselbe. Wut ist ein heißes Gefühl, dessen Ziel es ist, ein Hindernis zu beseitigen, das dem Strömen der Libido im Wege steht. Haß ist kalt und unbewegt. Wut kann zwar in ihrer Manifestation destruktiv sein, aber ihr Ziel ist im Grunde konstruktiv. Wut zielt nicht darauf ab, das Objekt der libidinösen Bindung zu zerstören, Haß hingegen hat dieses Ziel. Wut ist die Flut der Aggression, der keine zärtlichen Gefühle beigemischt sind. Aber sobald die Flut zurückgeht, strömen die Gefühle der Zärtlichkeit wieder. Wut ist das Gewitter an einem Sommertag, auf das der Sonnenschein folgt. Den Haß kann man mit der unaufhörlichen Kälte und Öde einer gefrorenen Steppe vergleichen. Freud hat darauf hingewiesen, daß Haß in einer antithetischen Beziehung zur Liebe steht. Wir alle wissen, daß das eine sich in das andere verwandeln kann.
Was hat es nun mit dem Haß auf sich? Haß ist gefrorene Liebe. Das erklärt, warum immer dann, wenn die Liebe sich abkühlt, die Gefahr besteht, daß sie sich in Haß verwandelt. Andererseits ist es auch möglich, daß der Haß wieder aufgetaut werden und sich in Liebe zurückverwandeln kann. Der Mechanismus, durch den dieses Gefrieren zustandekommt, ist kompliziert. An diesem Vorgang, der von einer Prädisposition abhängt, sind zwei Faktoren beteiligt. Die besondere Prädisposition ist eine rigide Struktur, die beiden Faktoren sind Kälte und Druck. Im Haß ist das Herz hart und kalt, die zärtlichen Gefühle verwandeln sich in Eis. Damit dies geschieht, muß unerhörter Druck ausgeübt werden; der Vorgang ist dem vergleichbar, durch den Luft verflüssigt wird. Der Druck wird von dem Individuum ausgeübt, dessen Liebe zurückgewiesen wird. Wir haben im 12. und 13. Kapitel über die hysterische Charakterstruktur darauf hingewiesen, daß das auf der genitalen Ebene frustrierte Kind sich versteift und rigide wird. Bei Erwachsenen bezeichnen wir ein solches Individuum als stolz, denn krankhafter Stolz drückt sich in einem steifen Hals und einem steifen Rücken aus. Tatsächlich besagt dieser Stolz: „Ich werde dich nicht lieben, dann kannst du mir nicht wehtun.“ Sobald dieses Muster des Sich-Versteifens in Reaktion auf Frustrationen etabliert ist, wird es zu einem festgelegten Reaktionsmuster, das im späteren Leben wirksam wird.
Nur ein Mensch mit rigidem Charakter kann wirklich haßerfüllt werden. Den Masochisten hindert sein Leiden daran, „einzufrieren“. Haß ist häufig das Endergebnis einer schweren Frustration im späteren Leben, im allgemeinen der Höhepunkt einer lieblosen Ehe, in der der rigide Partner durch seine eigene Rigidität und Bewegungsunfähigkeit gefangen ist. Unfähig, sich ein neues Liebesobjekt zu suchen, reagiert die gekränkte Ehefrau auf die Kälte des Partners, indem sie sich versteift und noch rigider wird, bis schließlich das Herz zu Eis erstarrt ist. Ein haßerfüllter Mensch bietet folgendes Bild: kalte Haut, harte und kalte Augen, Rigidität des Körpers, kalte Hände, die nicht liebkosen, sondern wehtun, und ein Verhalten, das unpersönlich, kalt, zwanghaft und angespannt ist. Welche Wirkung hat nun dieser Haß auf den empfindlichen, abhängigen Säugling? Das Kind einer haßerfüllten Frau ist dieser Kälte schon lange vor seiner Geburt ausgesetzt. Wenn das Herz kalt und hart ist, was können wir dann vom Mutterleib erwarten? Der Embryo, der in einem kalten, harten Mutterleib wächst und sich entwickelt, „gefriert“ auch, aber auf eine Weise, die sich von dem „Einfrieren“ im Erwachsenenalter unterscheidet. Im Mutterleib ist das Gefrieren nur auf die Kälte, nicht aber auf den Druck zurückzuführen. Der Embryo ist außerdem energetisch viel stärker geladen als der Erwachsene, und seine Energie widersteht dem Frost viel besser als das Energiesystem des rigiden Erwachsenen.
Der Vorgang dieses Gefrierens läßt sich mit dem vergleichen, was geschieht, wenn eine wäßrige Lösung von braunem Zucker allmählich gefroren wird. Nach einer Weile bemerkt man, daß sich die braune Farbe im Zentrum konzentriert, während die Peripherie der Lösung wasserklares Eis ist. Das Zentrum bleibt bis zuletzt flüssig, da die Kälte von außen nach innen dringt. Auf diese Weise wird eine partielle Trennung des Gelösten und des Lösungsmittels bewirkt. Das Tiefgefrieren oder das Gefrieren unter Druck würde die Ionen oder die Moleküle des Gelösten in dem gefrorenen Lösungsmittel fangen und unbeweglich machen. Diese Beobachtung läßt sich bei anderen gefärbten Lösungen wiederholen.
In dem Embryo im kalten, lieblosen Mutterleib findet eine ähnliche Trennung statt. Die freie Energie des Organismus zieht sich ins Zentrum zurück, während das periphere System einfriert; d. h. der Kern ist lebendig, aber die oberflächennahen Strukturelemente „gefrieren“. Was gefroren ist, ist also die körperliche Motilität des Organismus. Damit soll nicht gesagt werden, der Fötus werde zu einem Eisklotz. Der Vorgang des „Gefrierens“ ist nicht so intensiv, daß er Leben zerstört.
Hill betrachtet diese Mütter als ambivalent. Aber dies ist nicht die Ambivalenz des Liebens oder Nichtliebens. Es ist die Ambivalenz von Lieben oder Hassen. Nach dem oberflächlichen Anschein mögen sie den Wunsch haben, dieses Kind zu lieben, und sie mögen es auch versuchen, aber ein tieferliegender Haß trägt den Sieg davon. Man beachte folgende Bemerkung: „Psychiater, die die Mütter schizophrener Patienten interviewt haben, berichten, sie hätten weitgehend das empfunden, was ein Schizophrener zu empfinden scheint - die Mutter sei oberflächlich optimistisch, kooperativ, freundlich und nachgiebig, aber recht nah unter der Oberfläche erstarre sie, wenn irgendetwas Unangenehmes erwähnt werde.“ Bei dieser Gelegenheit pflegen ihre Augen den Haß zu zeigen, der den Säugling hat „gefrieren“ lassen. Noch ein Zitat von Hill, um zu zeigen, wie nah gutes psychoanalytisches Denken dem bioenergetischen Denken steht: „Die Enttäuschungen, die diese Mütter in der Realität erleben, werfen sie schmerzlich zurück in ihre Welt der inneren Liebes- und Haßobjekte. Das Kind, das in einer Zeit der großen Belastung ausgetragen wird, das von innen kommt und noch vor kurzem ein Teil der Mutter gewesen ist, ist der natürliche Erbe all ihrer frustrierten Objektsuche.“