Zusammenfassung des Artikels
Nach einem kurzen Abriß der Geschichte und des Vorgehens persönlichkeitspsychologischer Forschung werden die seit Mitte der achtziger Jahre von den meisten Forschern angenommenen fünf hauptsächlichen Grunddimensionen – die „Big Five“ - der Persönlichkeit porträtiert: Neurotizismus, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Offenheit für Erfahrungen.
Die auf die Erfassung der bioenergetischen (psychodynamischen) Charakterstrukturen – schizoid, oral, psychopathisch, masochistisch, rigid (phallisch, hysterisch) - zielende Konstruktion eines Fragebogens bildete überraschenderweise die „Big Five“ ebenfalls ab. Dadurch wird es möglich, charakteranalytische Perspektiven vor dem Hintergrund persönlichkeitspsychologischer Modelle zu diskutieren und eine Brücke zwischen diesen beiden bisher getrennten Bereichen zu schlagen.
Nach Darstellung typischer Probleme bei der Fragebogenkonstruktion wird der Zuwachs an Information diskutiert, der durch die statistisch erfassten Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen von KlientInnen über die charakteranalytischen Typen möglich wird. Die Ergebnisse der Untersuchungen legen die Schlußfolgerung nahe, daß wir zu jedem „klassischen“ Charaktertyp notwendigerweise einen polaren „Gegentyp“ denken müssen, wie es bei „oral“ – „kompensiert oral“ bereits üblich ist. Es erfolgt erste begriffliche Klassifikation der Gegentypen.
Die Matrix der Zusammenhänge zwischen den Typen läßt sich faktorenanalytisch zu drei Entwicklungsphasen zusammenfassen, deren erste den schizoiden und den oralen, die zweite den psychopathischen und den masochistischen und die dritte den rigiden (phallischen und hysterischen) Typ enthält. Diese drei Phasen finden ihre Entsprechung in dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell von Millon, das für das Verständnis der Entstehung psychischer Krankheiten bei Diagnostikern heute eine herausragende Rolle spielt.
Die Skalen der endgültigen Fassung der Bioenergetischen Prozess-Analyse erlauben die Erfassung der „Big Five“ der Persönlichkeitspsychologie und der bioenergetischen Typen der psychodynamischen Sichtweise gleichermaßen. Die Möglichkeiten weitergehender und tieferer psychodynamischer Analysen von Symptomen werden an der differentiellen Darstellung der charakteranalytischen BPA-Symptomprofile von Angst-, Panik-, phobischen und oppressiven Patienten veranschaulicht.
Theo Fehr: Vergleichende Untersuchung der differentiellen Effekte von Bioenergetik, Meditation und Therapiegruppe bei PsychotherapiepatientInnen. Forum der Bioenergetischen Analyse, 2003
Zusammenfassung der Studie (download s.u.)
In einer mehrjährigen Verlaufsstudie an 181 PatientInnen untersuchten wir die Effekte von Therapiegruppe, Advaita Meditation und bioenergetischen Übungen, wovon die beiden letzten zu Hause betrieben wurden, im Rahmen der Psychotherapie.
Advaita Meditation zeigte in Kombination mit Psychotherapie und als alleiniges Verfahren signifikante Befindensverbesserungen in psychosomatischer Stabilität und Selbstsicherheit, Konzentrationsfähigkeit und Ausgeglichenheit.
Therapiegruppe und Bioenergetik führten eher zu einer Verschlechterung des Befindens der ProbandInnen, Bioenergetik auch zu Erschöpfung. Bioenergetik hatte bei nichtmeditierenden Patienten signifikant größere Extraversion und Kontaktfreudigkeit zur Folge. Nichtmeditierende und mit Meditation beginnende Patienten verzeichneten bessere störungsspezifische Behandlungseffekte durch bioenergetische Übungen, jedoch zugleich eher Verschlechterungen ihres Befindens. Gegenläufige Wirkrichtungen von Bioenergetik und Meditation wurden diskutiert.
Therapiebegleitende Meditation zeigte Überlegenheit durch raschen Wirkungseintritt besseren Befindens. Bioenergetische Effekte für meditierende PatientInnen waren marginal und verringerten – ausser bei Langzeittherapie – die positiven Meditationswirkungen.
Befindensverbesserungen waren verglichen mit „nicht-Üben“ oder hochfrequentem Üben eher mit niederfrequentem bioenergetischem Üben verbunden, auch spielte der Aspekt der Langfristigkeit der Übungen – mindestens eines, besser mehr als anderthalb Jahre – eine bedeutende Rolle.
Die Studie fand eine stärkere Tendenz zur Bioenergetik bei defizitär-insuffizient gefärbten Persönlichkeiten als bei realitäts- und sozial-integrierten Patienten und selektionsabhängig signifikant verstärkende Effekte bioenergetischer Übungen für die folgenden akzentuierten bis pathologischen Persönlichkeitsstrukturen: Die „schizoide“ - „macht / hilflose“ - „nachlässig / unzuverlässige“ - „sozial ängstlich / zurückhaltende“, und die „rigide“ [phallische und hysterische]. Durch Bioenergetik wurden besonders bei PatientInnen mit somatoformen, neurotischen Störungen zentrale Merkmale der Charakterpanzerung längerfristig (ca. 1 Jahr) verstärkt. Dies wurde wegen der signifikanten Verbesserung unter Langzeittherapie von mindestens anderthalb Jahren im Sinne des verhaltenstherapeutischen Konzeptes der Löschung durch Konfrontation als letztendlich symptomreduzierend interpretiert. Für Patienten mit somatoformen und neurotischen Störungen ist die Indikation zu bioenergetischen Übungen sorgfältig abzuwägen, da sie deren Neigung zur symptombildenden Somatisierung zunächst verstärken. Der Ansatz der Mehrdimensionalen Bioenergetischen Persönlichkeits-Analyse (MBPA) fügt die in der Bioenergetischen Analyse bislang fehlenden essentiellen Persönlichkeitsdimensionen hinzu, schließt durch Kompatibilität mit modernen Persönlichkeitstheorien eine bisherige Lücke zur wissenschaftlichen Akzeptanz und erhöht mit dem methodisch-statistisch fundierten linear-dimensionalen Ansatz der Bioenergetischen Prozess Analyse die Präzision in der Bestimmung der Ausprägung der charakterologischen Merkmale mit der zusätzlichen Möglichkeit der Profildarstellung.